XXII. Tagung über Pferdekrankheiten im Rahmen der EQUITANA

Fortsetzung...

Zu Beginn des nächsten Themenblocks erläuterte Prof. Debra Archer aus Liverpool die mikrobiellen Veränderungen im Pferdedarm, sowohl saisonal als auch aufgrund verschiedener Erkrankungen, und wies auf die potentiellen Möglichkeiten hin, diese Erkenntnisse zukünftig präventiv nutzbar zu machen. Der Verwendung der momentan angebotenen Präbiotika steht sie jedoch noch skeptisch gegenüber, da es noch zu wenig wissenschaftliche Erkenntnisse zu ihrem Nutzen gebe. Auch propagierte sie einen vorsichtigen Einsatz von Antibiotika, da diese nachhaltige Auswirkungen auf die Darmflora haben. Zudem referierte sie zu den Möglichkeiten, Wundinfektionen nach Abdominalchirurgie vorzubeugen. Der Schwerpunkt der beiden Vorträge von Cornélie Westermann aus Utrecht lag ebenfalls auf Prävention, zunächst der atypischen Weidemyopathie durch Vermeidung der Aufnahme von Ahorn und dann der Staubreduktion in Ställen, um Lungenproblemen vorzubeugen. Dr. Andy Durham aus der Pferdeklinik Liphook in England referierte über die vielfältigen möglichen Ursachen und daraus resultierenden diagnostischen Herausforderungen bei Fieber, sowie über die Relevanz moderat erhöhter Leberwerte beim gesunden Pferd, welche möglicherweise überbewertet werden, da diese auch z.B. durch Arbeit oder Magengeschwüre beeinflusst werden können.

Nach dem von der Tiermedizin Hochmoor zum Anlass des 50. Jubiläums angebotenen Lunch gab Prof. Michael Schramme von der Universität in Lyon den Tierärzten praktische Behandlungsmöglichkeiten bei traumatischen Verletzungen der Hufwand an die Hand und verwies dabei auf die wichtige Bedeutung einer Cast-Immobilisation für den Behandlungserfolg. Dr. Francesca Beccati aus Perugia und Dr. Ina Lorenz befassten sich mit der Diagnostik der Halswirbelsäule mittels Röntgen und dem neuen Stehend-CT, welches ständig weiterentwickelt wird und interessante Perspektiven für die Diagnostik von Veränderungen in diesem Bereich bietet. Danach präsentierte der französische Kollege Dr. Fabrice Rossignol beeindruckende Methoden zur chirurgischen Fixierung von Halswirbelfrakturen, bevor Dr. David Lichtenberg, Hochmoor, eine Studie zur Bedeutung radiologischer Befunde im Bereich der Brust- und Lendenwirbelsäule ungerittener Jungpferde präsentierte.  Prof. Schramme ging in seinem zweiten Vortrag auf die Stammzellentherapie ein und wies darauf hin, dass neben den immer noch mangelhaften wissenschaftlichen Erkenntnissen für Tierärzte keine rechtliche Grundlage für die Verwendung von Stammzellen vorhanden ist, sofern diese nicht vom Tierarzt selbst gewonnen und aufbereitet würden.

Zum Abschluss des ersten Kongresstages gab es anlässlich des 50-jährigen Jubiläums der Tiermedizin Hochmoor noch einen historisch inspirierten Themenblock, in dem zunächst Dr. Niels Henrik Huskamp einen Überblick über die Entwicklung der Pferdemedizin seit den 1960er Jahren präsentierte, bevor Prof. Norbert Kopf aus Wien, Wegbegleiter des Klinikgründers Dr. Bernhard Huskamp, einen sehr persönlichen und unterhaltsamen Rückblick auf die Entwicklung der Ileuschirurgie gab, welche in den 70er Jahren maßgeblich durch Dr. Huskamp sen. und die Tiermedizin Hochmoor vorangetrieben wurde. Nachdem Prof. Michael Röcken einen Ausblick auf die Zukunft der Pferdechirurgie gegeben hatte, welche er in einer Ergänzung des menschlichen Potentials durch die Technik mit Limitation durch die steigenden Kosten sieht, ging der erste Kongresstag mit einem  geselligen Sektempfang zu Ende.

Am Samstag stand zunächst das Thema Hufrehe auf dem Programm, wobei Dr. Eberhard Schüle  auf die Bedeutung der Sorgfalt bei der Diagnostik und Therapie dieser Erkrankung und im Besonderen auf die Notwendigkeit des Röntgens zur korrekten Beurteilung des Krankheitsverlaufs verwies.Prof. Karsten Feige aus Hannover erläuterte anschaulich die Entstehung und Diagnostik der Hufrehe als Folge endokrinologischer Störungen, bevor sich Gerhard Assmann aus Opfenbach kritisch mit den Grundlagen der Therapie bei akuter und chronischer Rehe im Vergleich zwischen Deutschland und dem anglo-amerikanischen Schrifttum auseinandersetzte. Er verwies hier auch auf die wichtige Rolle von Dr. Bernhard Huskamp, der vor 30 Jahren nach jahrelangen praxisnahen Versuchen an eigenen Patienten die Unterstützung des Trachtenbereiches und die Freistellung der Hufspitze von Last durch die Anwendung sogenannter „Rehegipse“ forderte, besonders in der akuten Phase der Erkrankung. In seinem gut bebilderten Vortrag zur Diagnostik und Therapie von Hornsäulen  ging Prof. Christopher Lischer von der FU Berlin unter anderem auf Rezidivbildung ein, deren Wahrscheinlichkeit anhand histologischer Untersuchung des resezierten Hornmaterials beurteilt werden kann. Danach entspann sich eine lebhafte Diskussion zur Therapie der Hufrehe mit den Praktikern, aber auch zwischen den Referenten, die einmal mehr die große Bedeutung des Themas Hufrehe in der Praxis aufzeigte. Dr. Matthias Rettigs Beitrag mit Ergebnissen zum Einfluss der Sedierung auf den Bewegungsablauf lahmer Pferde mag manchem Praktiker die Entscheidung für eine leichte Sedation bei der Durchführung diagnostischer Anästhesien erleichtern. Großes Interesse unter den Teilnehmern erregte auch der Vortrag von Dr. Mark Meijer aus Utrecht, der eine verblüffend einfache und risikoarme Methode zur Behandlung der Retentio secundinarum durch Wasserinfusion in die Umbilikalgefäße präsentierte.

Während des zweiten Themenblocks verglichen Dr. Anne Schreier, Dr. Saskia Walther und Dr. Leendert-Jan Hofland die Systeme der Pferdekrankenversicherung und deren Verbreitung in Großbritannien, Deutschland und den Niederlanden und Dr. Daniel Meister verwies in seinem Vortrag auf die große Bedeutung der fairen Zusammenarbeit zwischen Tierärzten und den Versicherungen, die für das Funktionieren des Systems unerlässlich ist. Bei der darauffolgenden Podiumsdiskussion fand ein lebhafter Austausch statt, umso mehr, als sich im Publikum auch einige Vertreter der Versicherungen befanden. Ein höherer Anteil von versicherten Pferden auch in Deutschland (in Großbritannien sind es 78%) böte für die Tierärzte sicherlich Vorteile, wie zum Beispiel die Abrechnung mit einem liquiden Partner Versicherung, aber es bestehen auch Risiken, besonders, da die Kunden sich oft nicht über die Abdeckung ihrer Versicherung im Klaren sind. In diesem Zusammenhang wurde auch Kritik an der bestehenden GOT geäußert, welche überaltert sei  und eine einheitliche Berechnung erschwere. Hier stellten Experten eine Erhöhung der GOT-Sätze in Aussicht, mittelfristig könnte die GOT aber wegen des EU-Rechts abgeschafft werden müssen.

Nach der Mittagspause bot der Vortrag von Dr. Michael Stettner zu den häufigsten Stolpersteinen bei Apothekenmanagement und -überprüfung sicherlich manchem Praktiker Anlass, sein Apothekenmanagement kritisch unter die Lupe zu nehmen, da sich dort im Praxisalltag leicht Fehler einschleichen. Sodann referierten Dr. Kathrin Mählmann, Dr. Stefan Tietje und Stefan Lumpe noch einmal zu orthopädischen Themen (Endoskopie der Bursa podotrochlearis am stehenden Pferd, Fesselgelenk), bevor Dr. Willy Neumann, Hochmoor, neue chirurgische Methoden zur Behandlung von Hornhautläsionen mittels Gewebekleber, Hornhauttransplantationen und Corneal Cross-Linking präsentierte, welche auf großes Interesse seitens der Teilnehmer trafen. 

Im letzten Themenblock ging es um das BGH-Urteil und seine Bedeutung für die Tierärzte, sowie um die Klassifizierung von Röntgenbefunden anhand des Röntgenleitfadens, welcher immer wieder Anlass zu kontroversen Diskussionen bietet. Dr. Schüle versprach eine überarbeitete Version des Röntgenleitfadens für die nahe Zukunft. Der Jurist Dr. Burkhard Oexmann  gab zunächst Einblick in die aktuelle Rechtsprechung, wobei er herausstellte, dass die Pferdemediziner in Bezug auf Aufklärung, Dokumentation und Beweislast mittlerweile mit den Humanmedizinern gleichgesetzt werden, was zu seiner Forderung nach Erstellung eines Katalogs tierärztlicher Behandlungsregeln führt. Er erläuterte, auf welchem gefährlichen rechtlichen Terrain sich die gutachterlich tätigen Tierärzte bei der Erstellung eines Kaufuntersuchungsgutachtens (Werkvertrag) momentan durch die Klassifizierung von Röntgenbefunden nach Röntgenleitfaden bewegen. Danach verglich Prof. Röcken, Univ. Gießen, die Zielsetzung und die tatsächlichen Folgen der Einführung des Röntgenleitfadens für die Kaufuntersuchung. Einerseits konnte die Qualität der Röntgenaufnahmen und ihrer Beurteilung durch Bereitstellung definierter Kriterien in den zurückliegenden 20 Jahren verbessert werden. Er verwies aber auch auf die Problematik der Klassifikationen im Bereich der Orthopädie, da die Sachverhalte oft sehr komplex seien. Er forderte daher die ersatzlose Abschaffung der Röntgenklassen, worin ihm ca. 70 % der  Anwesenden bei einer spontan durchgeführten Abstimmung beipflichteten. Es gab jedoch auch andere Meinungen unter den Kollegen, welche sich für die Beibehaltung der Befundung nach Röntgenleitfaden aussprachen. Dies wurde intensiv diskutiert, insbesondere wurde immer wieder der Ruf nach einer stärkeren Gewichtung der klinischen Untersuchung bei der Kaufuntersuchung laut, anstatt sich auf die letztlich für die gesundheitliche Zukunft des Pferdes wenig aussagekräftigen Röntgenklassen zu versteifen. Insgesamt bleibt das Thema der Röntgenklassen kontrovers, und es wird mit Spannung erwartet, welche Neuerungen die anstehende Überarbeitung des Röntgenleitfadens bringen wird.

Mit dieser aktuellen Debatte ging die XXII. Tagung über Pferdekrankheiten zu Ende. Wir hoffen, dass unsere Teilnehmer auch diesmal wieder viele wertvolle Anregungen für ihre Arbeit mitnehmen und zufrieden die Heimreise antreten konnten.

Wir bedanken uns bei unseren Referenten für ihre Bereitschaft, ihre Erkenntnisse unter Einsatz von Zeit und Mühe mit allen zu teilen, und natürlich auch bei unseren Teilnehmern, die wir, so hoffen wir, bei der XXIII. Tagung über Pferdekrankheiten am 15.- und 16. März 2019 wieder begrüßen dürfen.