Abdominale Kryptorchide (Klopphengst)

Ende April 2019 wurde uns ein 5-jähriges, äußerlich als Wallach erscheinendes Pferd vorgestellt. Eine Blutuntersuchung hatte beim Haustierarzt jedoch einen erhöhten Testosteronwert ergeben, auch zeigte das Pferd Hengstmanieren. Schnell stand die Vermutung im Raum, dass es sich bei dem Pferd um einen nur einseitig kastrierten Klopphengst handeln müsste.

Von Kryptorchismus spricht man, wenn ein oder beide Hoden nicht äußerlich sicht- oder tastbar sind. Diese Hoden können im Leistenspalt (inguinal) oder in der Bauchhöhle (abdominal) liegen. Es handelt sich um eine häufig vorkommende Entwicklungsstörung beim Pferd. Normalerweise kommt es kurz nach der Geburt zum Abstieg der beiden Hoden in den Hodensack. Beim Kryptorchismus passiert dieses nicht. Unter Kryptorchismus leidende Pferde verhalten sich oft aggressiv, sind schwierig im Umgang und zeigen „hengstiges Verhalten“ in Anwesenheit von Stuten.

Sowohl das Abtasten des Hodensacks als auch eine Ultraschalluntersuchung zeigte in unserem Fall kein Hodengewebe in der Leistengegend. Eine nachfolgende rektale Untersuchung brachte ebenfalls keinen Aufschluss über den Verbleib des Hodens. Auffälligkeiten gab es allerdings bei einer genauen Inaugenscheinnahme der linken Kastrationswunde. Auf Wunsch des Besitzers wurde eine diagnostische Laparoskopie am stehenden Pferd (minimalinvasiv und ohne Vollnarkose) durchgeführt.

Unser Chirurg Dr. David Lichtenberg konnte mit Hilfe des Laparoskops (Videoendoskop) in der linken Bauchhöhlenhälfte den „verborgenen“ Hoden sichtbar machen und mit Hilfe spezieller, sehr langer Fasszangen festhalten. Im nächsten Schritt löste er den Bauchhoden und das Hodenanhanggewebe mit Hilfe des Vessel-Sealing-Systems LigaSure, sodass sich der Hoden frei in der Bauchhöhle, nur von der chirurgischen Fasszange fixiert, befand. Durch eine kleine Öffnung in der Flankenregion konnte der Hoden aus der Bauchhöhle entfernt werden. Die Verwendung dieser Technik (LigaSure) ermöglicht es, Gewebe im Bauchraum zu zerschneiden und Organe wie zum Beispiel Hoden oder Eierstock zu lösen. Dabei werden die Blutgefäße ohne den Einsatz von Fremdmaterial (Fäden, Metallklammern) mittels Fusionstechnik verschweißt. Ein weiterer Vorteil der laparoskopischen Stehendkastration ist die gute Übersicht und das damit verbundene schnelle Erkennen von Nachblutungen und deren unmittelbare Korrektur. Die Operationszeit beträgt 1 bis 1,5 Stunden und auf eine Vollnarkose kann verzichtet werden. Die äußeren Wunden sind in der Regel sehr klein und daher wenig schmerzhaft für das Pferd.

Innerhalb weniger Tage konnte das Pferd unsere Einrichtung wieder verlassen.

In der Pferdeklinik Hochmoor ist dieses Verfahren auch bei vielen anderen Operationen das Mittel der Wahl. Unter anderem werden Ovartumore und in ausgewählten Fällen auch chronische Koliker auf diese Weise operiert.